Das deutsche Gesundheitssystem steht vor einer Vielzahl an Herausforderungen: Krankenhäuser und Pflegeheime ächzen unter Personalmangel, Patient:innen warten oft lange auf Termine bei Fachärzt:innen, auf dem Land mangelt es an Ärzt:innen und bei Medikamenten kommt es immer häufiger zu Lieferengpässen. In Großstädten sind die regionalen, medizinischen und ambulanten Versorgungsangebote sehr unterschiedlich ausgeprägt, sodass es in spezifischen Stadtteilen zu Unterversorgung kommt und Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Klimawandel bringen darüber hinaus immer neue Fragen für die Gesundheitsversorgung mit sich.

Im Gesundheitspolitischen Kolloquium diskutieren wir zu diesen Herausforderungen, vor denen die Gesundheitsversorgung in Deutschland aktuell steht. Wir blicken dabei auf Prävention und Lösungsansätze wie Reformen, andere Versorgungsmodelle oder lokale Initiativen. In unseren Veranstaltungen diskutieren wir, wie Gesundheitspolitik gestaltet werden muss, um Gesundheitsversorgung zu garantieren und gerechter zu gestalten und Gesundheitsförderung zu ermöglichen. Dazu laden wir Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis ein und richten uns mit unseren Veranstaltungen an alle Bremer Bürger:innen, die sich mit aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen beschäftigen und mit uns und unseren Gästen in den Dialog treten möchten.  

Unsere Veranstaltungen finden im Haus der Wissenschaft statt, das zentral in der Bremer Innenstadt liegt. Die anschließenden Diskussionen werden von Prof. Dr. Heinz Rothgang und Prof. Dr. Matthias Zündel moderiert. Der Eintritt ist frei und die Veranstaltungen sind für alle Interessierten offen.

Programmübersicht Sommersemester 2025

21.05.2025 18:00 - 20:00 Uhr
Podiumsdiskussion:
Wie machen wir die Pflege zukunftssicher?
Drängende Herausforderungen und notwendige Weichenstellungen nach der Bundestagswahl
Judith Burgmeier (vielfältig. GmbH)
Jutta Dernedde (Medizinischer Dienst Bremen)
Reinhard Leopold (u.a. BIVA-Pflegeschutzbund, Selbsthilfe-Initiative "Heim-Mitwirkung" und „wir pflegen - Interessenvertretung und Selbsthilfe pflegender Angehöriger e. V.“)
Prof. Dr. Heinz Rothgang (SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik)

 

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GPK    29.11.2023

Gesundheitspolitisches Kolloquium des Socium der Universität Bremen mit Dr. Isabel Justus (Geschäftsführerin der Apothekerkammer Bremen)

„Die Arzneimittellieferengpässe sind nicht so einfach zu lösen“

Ob Schmerzmittel, Betablocker oder Krebsmedikamente: Bei vielen Arzneimitteln gab es immer wieder Lieferengpässe. Alleine im vergangenen Monat waren 500 Medikamente mit einem Lieferengpass gelistet. Die Bürger:innen reagieren teilweise ängstlich, fangen an sich Medikamentenvorräte in der Hausapotheke anzulegen. Doch was sind die Ursachen, wie schlimm war und ist die Situation wirklich, und welche Lösungsansätze gibt es?  

Das Gesundheitspolitische Kolloquium des SOCIUM der Universität Bremen nahm sich unter dem Motto „Arzneimittellieferengpässe: Hintergründe und Fakten“ dem Thema an und lud als Referentin die Geschäftsführerin der Apothekerkammer Bremen, Dr. rer. nat. Isabel Justus, ein.

Moderatorin Prof. Eva Quante-Brandt stimmt zu Beginn die Gäste auf die vielschichtige Thematik ein. Sie sagt: „Das Thema ist sperrig. Aber so sperrig es ist, desto umfangreicher fällt es den Leuten jetzt vor die Füße. Umso mehr freuen wir uns, dass Frau Dr. Justus heute hier ist.“

Auch die Fachapothekerin selbst verweist direkt am Anfang auf die Komplexität der Thematik. Justus: „Die Ursachen sind deshalb auch nur sehr schwer aufzudröseln. Es ist oftmals ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren.“

Es sei dabei wichtig die Begrifflichkeiten „Lieferengpässe“ und „Versorgungsengpässe" zu unterscheiden. Justus: „Ein Lieferengpass ist als eine über zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer üblichen Auslieferung definiert. Hier können die Kunden in den meisten Fällen aber auf Alternativarzneimittel von anderen Herstellern zurückgreifen. Ein Versorgungsengpass liegt hingegen vor, wenn dies nicht möglich ist oder aber bei speziellen Arzneimitteln, für die es nur drei oder weniger Zulassungsinhaber gibt.“

Grundsätzlich hängen Lieferengpässe nach Ansicht der Expertin immer mit einer steigenden Nachfrage nach einem Arzneimittel zusammen. Justus: „In dem Fall kann die Produktion nicht so schnell erhöht werden.“  

Zu den Hauptgründen zählt aber auch, dass gerade in Deutschland ein enormer Preisdruck herrscht. Rund 80 Prozent der Verordnungen sind mittlerweile Generika. Das bedeutet, dass verschiedene Pharmaunternehmen ein Medikament zwar mit den identischen Wirkstoffen herstellen, wie das Original, dafür aber zu deutlich günstigeren Preisen. Hinzu kommt, dass die Krankenkassen mit den Herstellern für ein Medikament mittlerweile Rabattverträge aushandeln. Das kann dann dazu führen, dass Hersteller, die keinen Rabattvertrag bekommen, ihre Arzneimittel lieber im Ausland verkaufen.

Weitere wichtige Faktoren für Arzneimittellieferengpässe sind die Produktion sowie die Lieferkette selbst. Zwei Drittel der Medikamente werden mittlerweile in Asien produziert. Justus: „Oft werden in China die Wirkstoffe hergestellt und in Indien dann zu Tabletten gepresst. Früher war Europa die Apotheke der Welt, doch das hat sich geändert.“

Das Thema hat sich jetzt auch die Politik angekommen. Erst im Sommer hat der Bundestag das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) Gesetz verabschiedet. Es soll mit verschiedenen Maßnahmen helfen, die Situation zu verbessern.  

So sollen unter anderem die Preisregeln für Kinderarznei gelockert, Bevorratungspflichten eingeführt sowie Medikamente wieder verstärkt in Deutschland hergestellt werden. Doch die Fachapothekerin ist skeptisch, dass das zu einem schnellen Erfolg führt. Sie sagt: „Langfristig sind die Maßnahmen sinnvoll, aber das ALBVVG führt nicht dazu, dass Lieferengpässe nächstes Jahr ad acta gelegt werden können. Eine Rückführung der Produktion nach Europa wäre beispielsweise nicht nur immens teuer, sondern auch sie kann Engpässe nicht verhindern, da für die Herstellung die unterschiedlichsten Komponenten benötigt werden. Hinzu kommt, dass es Medikamente gibt, die aufgrund von Umweltbestimmungen gar nicht in Deutschland produziert werden können."

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