GPK 22.05.2024
Gesundheitspolitisches Kolloquium zum Thema "Glücksspielsucht – politische Gegenstrategien zur Vermeidung von individuellen und gesellschaftlichen Negativfolgen"
Welche Strategien kann die Politik anwenden, um das Risiko von Glücksspielsucht zu minimieren?
Mit dieser Frage befasste sich das Gesundheitspolitische Kolloquium des SOCIUM am 22.05.2024. Dr. Tobias Hayer (Arbeitsstelle Glücksspiel, Institut für Public Health und Pflegeforschung, Universität Bremen) beleuchtete in seinem Vortrag politische Gegenstrategien zur Vermeidung von individuellen und gesellschaftlichen Negativfolgen.
Glücksspielsucht in Deutschland
2,4 % der deutschen Bevölkerung im Alter von 18-70 Jahren gelten als glücksspielsüchtig, weitere 6,1 % zeigen ein „riskantes“ Spielverhalten – eine Vorstufe von Sucht. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass ca. 1,4 Mio. Menschen in dieser Altersgruppe süchtig sind und ca. 3,5 Mio. riskant glücksspielen.
Die möglichen Negativfolgen für Betroffene und deren Angehörige sind dabei ähnlich derer anderer Suchterkrankungen wie z.B. Alkoholsucht: Verarmung, Arbeitsplatzverlust, Partnerschaften leiden, zum Teil kommt es zu Beschaffungskriminalität. Besonders gefährdet glücksspielsüchtig zu werden, sind insbesondere junge Männer, mit einem vergleichsweise niedrigen Bildungsabschluss und geringerem Einkommen. Auch Migrationshintergrund und Arbeitslosigkeit gelten als Risikofaktoren.
„Es handelt sich hierbei um ein gesamtgesellschaftliches Problem und nicht um ein Phänomen am Rande der Gesellschaft“, sagt Dr. Hayer. Besonders problematisch sei die Omnipräsenz von Werbung für Glücksspiel vor allem im Sport – kaum eine Werbeunterbrechung bei z.B. einer Fußballübertragung ohne Werbespots für Sportwetten. Dazu steigt die Verfügbarkeit von Glücksspiel durch eine Fülle von digitalen Angeboten, wodurch gerade junge Menschen immer häufiger den Einstieg ins Glücksspiel finden.
Politische Gegenstrategien
Die wichtigsten politischen Gegenstrategien zur Eindämmung von Glücksspielsucht konzentrieren sich auf zwei Bereiche. Zum einen sei es hilfreich, Restriktionen für Glücksspielwerbung einzuführen. Zwar gibt es hier schon Beschränkungen, diese gehen allerdings noch nicht weit genug wie das Beispiel der Sportwetten Werbung im Fußball zeigt. Glücksspiel müsse hier behandelt werden wie z.B. Alkohol oder Zigaretten, für die im Rahmen von Sportveranstaltungen nicht geworben werden darf.
Die zweite wichtige Maßnahme ist das Angebot von Glücksspiel zu reduzieren. Die Suchtforschung zeige, dass dies eine sinnvolle Maßnahme des Spielerschutzes sei. Denn damit geht in der Regel ein Rückgang der Spielteilnahme einher, was Spieler:innen vor Suchtgefahren schütze.
Weitere Gegenmaßnahmen sind zudem denkbar: Aktuell sind die Anbieter von Glücksspiel für die Umsetzung von Präventions- und Unterstützungsangeboten zuständig. Diese Aufgabe in die Hände von Expert:innen zu legen, sei eine sinnvolle Maßnahme, um den Spieler:innenschutz zu stärken. Auch die gesellschaftliche Wahrnehmung von Glücksspielsucht müsse sich ändern. Die Anerkennung als psychische Suchterkrankung im breiten gesellschaftlichen Diskurs sei ein wichtiger Meilenstein, um diese Thematik effektiv zu bekämpfen.
Vorbild Bremen
Das Land Bremen nimmt in Bezug auf Glücksspielsucht eine Voreiterrolle ein. Seit Juli 2023 ist es das Bundesland mit den strengsten Auflagen für Glücksspiel. So müssen mindestens 500 Meter zwischen den Gebäuden von Glücksspielanbietern liegen, auch von Schulen muss diese Distanz eingehalten werden. Auch das Angebot von Essen und Trinken vor Ort ist nicht mehr erlaubt und das Mindestalter für den Zutritt ist von 18 auf 21 Jahre angehoben worden. Einmalig sei auch die Zusammenarbeit der beteiligten Ressorts mit dem Forschungsteam im Bundesland, die in regelmäßigen Abständen zu einem Jour fixe zusammenkommen.
Beratungsangebote im Land Bremen
Betroffene und Angehörige finden auf dieser Website viele Informationen und weiterführende Unterstützung: www.gluecksspielsucht-bremen.de
Wie geht es beim Gesundheitspolitischen Kolloquium weiter?
Die Veranstaltungen des Gesundheitspolitischen Kolloquiums werden von Prof. Dr. Heinz Rothgang und Prof.in Dr. Eva Quante-Brandt moderiert und finden im Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5, 28195 Bremen statt. Eine vorherige Anmeldung ist nicht notwendig und der Eintritt ist kostenlos.
Im Sommersemester 2024 diskutieren wir mit ausgewählten Referent:innen über aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze für die Gesundheitsversorgung in Deutschland. Weitere Infos zu den kommenden Terminen finden Sie hier.